Dienstag, 21. März 2006

Deutsche Höflichkeit

Heute im Fernsehen:

"Guido B. galt bei seinen Nachbarn als hilfsbereit und freundlich bis er seine Mutter mit der Kettensäge zerteilte."

Iraks Blogger

Auch wenn ich diesem Mann ungern zustimme, muss ich feststellen, dass George Bush Recht hat auf die äusserst selektive Berichterstattung hinzuweisen die in Bezug auf den Irak betrieben wird. Es gilt zu grossen Teilen noch immer die Maxime: a good story is a big story.

Wie steht es, abseits der weltpolitischen Bedeutung und innerpolitischen Auswirkungen, um die Menschen im Irak?

Der Irak verfügt über Universitäten und Hochschulen - eben diese Institutionen an denen sich der Ansatz zur Veränderung und zum Neubeginn am Unmittelbarsten ablesen lässt. Was denken ihre Studenten und Dozenten? Welche Mittel stehen ihnen zur Verfügung, woran mangelt es? Was sind ihre Ziele und Vorstellungen, ihre Hürden und Fehlschläge? Worauf gründet sich ihre Hoffnung und Zuversicht? Wie wird mit der Knappheit an Ressourcen an Schulen und Kindergärten umgegangen? Wie die Lehrer ausgebildet? Wie die Schüler unterrichtet? Was versteht ein irakischer Jugendlicher als "Erfolgserlebnis"? Was geschieht jenseits von Bagdad?

'river' - eine Bloggerin aus Bagdad - bietet dabei eine Version ihrer Wahrnehmung die sich wie folgt liest:

"School, college and work have been on again, off again affairs. It seems for every two days of work/school, there are five days of sitting at home waiting for the situation to improve. Right now college and school are on hold because the “arba3eeniya” or the “40th Day” is coming up- more black and green flags, mobs of men in black and latmiyas. We were told the children should try going back to school next Wednesday. I say “try” because prior to the much-awaited parliamentary meeting a couple of days ago, schools were out. After the Samarra mosque bombing, schools were out. The children have been at home this year more than they’ve been in school."

Eine weiterer Bericht zum Thema Bildung und Schulen im Irak:
"Some 311 teachers plus 64 pupils below 12 years have been killed in the past four months, according to the latest tally from the Ministry of Education."

Dabei sind bei weitem nicht alle irakischen Blogs unvoreingenommen zu lesen. Der wohl grösste und bekannteste dürfte "Iraq the Model" sein. Dieser hält sich an die alles übertönenden und effektvollen Nachrichten. Man denkt und schreibt darin gerne überschwänglich und vermeidet das Detail am Rande. Das dreijährige 'Jubiläum' des Krieges wird darin zu einer Frage nach Saddam Hussein. Probleme, ja die gibt es. Das weiss man und spricht es auch aus, aber ohne dabei konkret zu werden. Man bleibt lieber plakativ.

Bei 'river' ist die Situation ein wenig anders. Viele der derzeitigen Blogs wurden kurz nach Kriegsende von Amerikanern unterstützt und vor allem finanziert. Dazu gehören afghanische Blogs (z.B. Afghan Warrior, Afghan Lord) als auch irakische (z.B. Iraq at a glance, Iraq the Model, Sun of Iraq, Free Iraq). All diese genannten Blogs haben gemeinsam, dass sie mit Hilfe von Tom Villars mit Sitz in Michigan, USA entstanden.
Villars sorgte dafür, dass gespendet und dieses Geld an die Blogger weitergeleitet wurde. Ein wenig enttäuscht berichtet er auf seiner Seite, dass es ihm nicht gelang 'river' anzuwerben und daher sind ihre Beiträge von den anderen Blogs verschieden, indem sie persönlicher und deutlich weniger pro-amerikanisch formuliert sind.

Auf meine Anfrage warum er sein Projekt mittlerweile eingestellt hat, antwortete Mr.Villars, dass sich die Situation geändert hätte, die Kosten für Internetbetreiber und Privatpersonen seien in den letzten Monaten gesunken und so könnten sich die meisten Blogger selbst tragen. Dennoch zeigte er sich darüber verbittert, dass sich die irakischen Blogger untereinander sehr eingeschränkt ausgetauscht hätten und es so gut wie keine Diskussion oder Kontakte zwischen ihnen gäbe.
Zudem sähe er nachwievor das grösste Problem darin, dass die westlichen Medien den Irak im Rahmen des politischen, anstelle eines menschlichen Kontextes behandelten.

Tag für Tag liest und hört man von irakischen Zivilisten, die vor dem Hintergrund ethnischer 'Säuberungsaktionen' oder aufgrund von militärischen Fehleinschätzungen umkommen. Leider muss man sich an dieser Stelle einer Platitüde bedienen und sagen, dass diese Opfer in den Medien als Zahlen und nicht als Menschen angeführt werden. Wie der Tod eines aus unserer Sicht Unbekannten mit einem Mal vertraute Züge und ein Gesicht erhält, kann man hier nachlesen.

Welches Gesicht hat die US-Armee? Ist es das Gesicht der Besatzer, auf das 'river' in ihren Beiträgen hartnäckig und unbeirrt verweist? Oder gibt es auch andere Gesichter dieser Armee? Eines dieser Gesichter entwickelt auf seiner Seite eine ganz eigentümliche Stimme, wenn 'One Veteran' von den ersten toten Irakern spricht, die er im Krieg sah oder wenn er von seiner ersten Anti-Kriegsdemonstration berichtet, während ein anderer Soldat mit mathematischer Akribie versucht sich diesen Krieg selbst verständlich zu machen.

Die Vielzahl an Ansätzen lässt sich in Anbetracht dieser Blogs kaum auf einen Nenner bringen. Die Motivationen und Sichtweisen sind so unterschiedlich, wie die Erfahrungen der Menschen die diese Berichte verfassen. Entweder von einer Chance für den Irak oder einer politischen und militärischen Fehlentscheidung zu sprechen ist als grobe Orientierung zwar nicht falsch, aber unzutreffend und vor allem unzureichend.
Man kann daher lediglich an die Medien appelieren dem zweiten Blick mehr Platz einzuräumen. Der zweite Blick ist der Blick der sich einstellt wenn die Explosion verklungen und der Rauch verweht ist. Der zweite Blick heftet sich nicht an den Effekt, sondern an dessen Folge. Erst der zweite Blick nimmt das Einzelne wahr und erkennt wie es ist und was es ist.

Bleiben wir beim ersten Blick stehen, können wir gleich alle unsere Sender auf Fox News umstellen.

Mittwoch, 15. März 2006

Already too much

"Sometimes I have this impression when I look at people and listen to them talking."
"What is it?"
"That they can't take more than themselves. The other man there sitting, that woman walking, a kid playing, is already too much."

Dienstag, 14. März 2006

Motorpsycho

Nach längerer Abwesenheit kehrt eine weitere Band aus den skandinavischen Höhengraden zurück und bringt ein neues Album hervor. Die Rede ist von Motorpsycho.

Zu den aktuellen Aufnahmen kann ich an dieser Stelle nichts sagen, da ich diese noch nicht gehört habe. Der eine oder andere hat seine Meinung dazu bereits Kund getan, so auch der Herr Wigger, der nicht müde wird in vielen seiner Rezensionen Neues mit scheinbar Altem und bereits Gehörtem abzugleichen.

Jedoch habe ich in den letzten Tagen öfters an die älteren Stücke von Motorpsycho denken müssen, die noch nach Jahren nicht in der Erinnerung verklungen sind und daher an dieser Stelle ein vollständiges Lied zum Anhören ohne weiteren Kommentar:

Motorpsycho - Watersound

Samstag, 11. März 2006

Three kinds of films

He liked three kinds of films: pretty bathing girls with bare legs; policemen or cowboys and an industrious shooting of revolvers; and funny fat men who ate spaghetti.

Aus "Babbitt" (1922) von Sinclair Lewis

Nicht nur, dass drei Kategorien aufgestellt werden, die im Grunde den erotischen, den actionreichen und den komischen Film bezeichnen. Darüberhinaus sind diese Einteilungen weiterhin gültig, indem sie die populärsten filmischen Attribute des damaligen und heutigen Kinobesuchers auf seiner Suche nach etwas Sehenswertem beschreiben.

Zudem ist der Verweis auf die "cowboys" hilfreich, um zu verstehen wieso ein Film wie "Brokeback Mountain" nicht nur gut, sondern auch wichtig ist:
Das Überwinden und Ablegen von alten Denkschemata und das Annehmen einer neuen, wenn auch auf den ersten Blick scheinbar unbedeutenden und unspektakulären Sichtweise: Zwei Menschen, die sich lieben, sich aber nicht lieben dürfen.

Mittwoch, 8. März 2006

Blogs in anderen Ländern

Etwas dessen wir uns bewusst werden und im Gedächnis behalten sollten.

Gespräche und Hunde

Eine Frau lehnt rauchend an der Brüstung ihres Balkons im Erdgeschoss, während eine zweite Frau, die ihren Golden Retriever an der Leine hält, auf dem Gehweg steht.

Rauchende Frau: "Mein Pudel wurde 15 Jahre alt."
Stehende Frau: "Ja, die grossen Hunde werden nicht so alt."

Montag, 6. März 2006

Picasso & Hemingway

Was haben Picasso und Hemingway gemeinsam?
Ihre Eier hängen auf Höhe der Knie.

Sonntag, 5. März 2006

Terrence Malicks "The New World"

Heute erzählte mir K., die den Film gestern gesehen hatte, dass ihr eine der letzten Szenen nicht gefallen hätte.

In dieser Szene befindet sich Pocahontas (in Algonquin: "sie ist verspielt"), die im gesamten Film, wenn überhaupt, nur mit ihrem englischen Namen "Rebecca" angesprochen wird, bereits in England auf einem Landsitz und schlägt ganz unverhofft Rad.
Merkwürdig? Unpassend? Zu viel des Guten?

Aber: "Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt."
Friedrich Schiller (1795)

Was bedeutet das dieses "Spielen"?
Wird nicht in einer dem Spiel verwandten Ersatzhandlung Sexualität zur Erotik? Der Konflikt zum Disput? Das Abwägen zur Entscheidung? Wir spielen und testen, versuchen und fordern, entdecken und legen eigene Begrenzungen fest - ist es nicht das was Spielen ausmacht? Ist Spielen somit nicht auch einfach ein Rad zu schlagen?

Code - Nouveau Gloaming

code_gloaming

Ich hatte schon vor kurzem auf die Nachfolgeband des Projektes von Ved Buens Ende hingewiesen und gestern tat es auch Cut1977, wenn auch vor dem Hintergrund seiner Einstellung zum Metal. Die Rede ist von CODE.

Vor mehreren Jahren wies Vicotnik in einem Interview darauf hin, dass ein neues Projekt von Ved Buens Ende durchaus zu erwarten sei, doch wann dies der Fall sein würde und unter welchem Namen liess er bewusst im Dunkeln.

Vicotnik, ehemals Dodheimsgard, Aura Noir und Ved Buens Ende heisst hier Viper und spielt den Bass. Kvohst wird ebenfalls Dodheimsgard zugerechnet und es ist zu vermuten, dass es sich hierbei um Carl-Michael handelt, denn anders wäre sein Gesang nicht zu erklären. Und als nächstes prominentes Mitglied wäre da noch AiwarikiaR von Ulver am Schlagzeug zu nennen.

Bevor ich zum Album selbst komme: Vicotnik hatte in dem bereits erwähnten Interview auch deutlich gemacht, dass es noch so ein Album wie damals bei "Written in Waters" nicht geben würde, da es zu einer bestimmten Zeit, unter bestimmten Bedingungen und mit bestimmten Musikern entstanden sei. Zumal sind 9 Jahre seit dem VBE-Album vergangen und ich hätte mich schon gewundert einen Abguss von "Written in Waters" zu hören. Und neben der Option einer Kopie, gibt es die der Weiterentwicklung. Doch wie sieht mit Blick auf "Written in Waters" eine Weiterentwicklung aus?
Das was VBE ausmacht ist nicht eine zu bestimmende Form von Musik und Stil, sondern das Gegenteil davon: ein Projekt, das sich dem Wechsel und dem Neuen verschrieben hat. Man kann lapidar feststellen: der Titel ist Programm - Nouveau Gloaming.

Wie also sind die acht Lieder auf diesem Album zu verstehen?

Erstes Lied "The Cotton Optic":
Hier wird man direkt in die Musik der frühen Alben von Dodheimsgard hineinkatapultiert. Jedoch ist etwas anders und zwar liegt dies am Bass, der sich ab Mitte des Songs in den Musikfluss einzwängt und diesem leicht entgegenwirkt. Dies geschieht in bester Skoll-Manier, der nicht nur den Bass bei Ulver bediente, sondern auch bei VBE. Damit findet die Überleitung zum nächsten Stück statt.

Zweites Lied "Brass Dogs":
Unterdrückter Gesang (Carl-Michael) vibriert kaum hörbar, bis die Gitarren einbrechen und mit ihrer Dichte alles aus dem Weg räumen und im selben Zug die alten Songstrukturen von VBE einräumen. Das was zum Vorschein kommt ist eine Reminisenz an VBE - in diesen Momenten zitieren sie sich selbst, aber bleiben dennoch auf dem neuen, von ihnen eingeschlagenen Weg der der Nostalgie des Vergangenen keinen Platz lässt.

Drittes Lied "An Enigma in Brine" und viertes Lied "A Cloud-Formed Teardrop Asylum":
Man möchte glauben, wenn Ulver nach ihrem "The Marriage of Heaven and Hell"-Album wieder zu ihren Anfängen zurückgekehrt wären, dann hätte sich ihre Musik wohlmöglich so angehört. Die Verspieltheit von VBE ist in diesen beiden Liedern klarer und strukturierter und nach mehrmaligen Hören entwickelt sich die gesungene Strophe von "A Cloud-Formed Teardrop Asylum" zu einem eindringlichen Ohrwurm. Im Gegensatz zu "Brass Dog" eingängiger und leichter zugänglich, dennoch hypnotisch und verschlungen.

Fünftes Lied "Aeon in Cynders":
Ich war schon damals vom Trash des Aura Noir-Projektes sehr angetan und sehe diesen in der Musik des neuen, norwegischen Black Metal Phänomens KHOLD wiederbelebt. Ähnlich geht es mir mit diesem Lied. Doch CODE wären nicht VBE, wenn sie nicht an dieser Stelle mit einem leichten Bruch aufwarten würden. Nach einer kurzen Unterbrechung des Songs meldet sich Vicotniks knarzig-knorrige Stimme zurück, wie sie schon zuvor in den VBE-Aufnahmen dem Hörer die Nackenhaare aufrichten liess. Eine weiterer Aspekt ist die Produktion des Schlagzeugs, das mit seiner trockenen Snare das Bergtatt-Album in Erinnerung ruft.

Sechstes Lied "Tyburn":
Besonders hier sind die Parallelen zu Ulver und vor allem den frühen Ulver nicht zu überhören. Und das ist kein Zufall. Nicht nur, dass der gleiche Drummer hinter dem Schlagzeug sitzt. Nein. "Nouveau Gloaming" wurde wie schon das Bergtatt-Album und die folgenden Veröffentlichungen von Ulver im Strype-Audio in Oslo abgemischt. Gegen Ende des Liedes löst sich die Musik langsam von seinen Verweisen und Zitaten und geht über in "Radium."

Siebtes Lied "Radium":
Letztendlich ist der Bogen, wie schon bei "Brass Dog", zurück zu VBE geschlagen. Spätestens Vicotnik ruft einem dies mit seiner Stimme wieder in Erinnerung. Doch nach der Hälfte des Liedes ist der Hörer plötzlich wieder mitten in einem Dodheimsgard-Lied. Dann entdeckt man nach mehrmaligen Hörem wie die beiden Gitarrenspuren für einen kurzen Moment entgegengesetzt spielen. Während eine gleichmässige Riffs in bester Trashtradition wiederholt, folgt die andere einem frenetisch-nervösen und wundervoll disharmonischem Verlauf. Es sind diese Überlagerung, das stilistische Pendeln, dass "Nouveau Gloaming" so ausgezeichnet macht.

Achtes Lied "Ghost Formula":
So rasant und verdichtet wie begonnen wurde, zersetzt sich das letzte Lied zu Tönen und gesprochenen Passagen, die eine kurze Weile Ähnlichkeit zu Anathemas "The Silent Enigma" aufweisen, um dann losgelöst von Bezügen zu verklingen.

So schnell werden VBE, alias CODE, kein weiteres Album auf den Markt werfen und daher bleibt viel Zeit "Nouveau Gloaming" noch viele Male zu hören und dabei jedesmal neue Dinge zu entdecken. Mehr Dinge, als "Written in Waters" in seiner Geschlossenheit jemals enthielt.

Disklammer

Cut1977 und Pluswit versuchen es.

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