"Is ja günstisch!"

Als ich die "Back-Factory" hier in B. zum ersten Mal sah, dachte ich mir noch, dass es neben den 'Geiz ist Geil'-Kampagnen nur logisch sei auch einen Bäckerei-Discounter zu eröffnen.

Das Sortiment ist zugegebenermassen vielfältig. Doch entscheidend ist der Preis. Ein Vollkornbrötchen für 21 Cent. Eine Brezel für 39 Cent. Ein 1kg Vollkornbrot für 1,79. Ein normales Brötchen gerade mal 12 Cent. Toll, oder?

Nehmen wir einmal das 12 Cent Brötchen. Hört sich ja gut an und es schmeckt auch.
Aber zunächst benötigt man in der Grossbäckerei die nötigen Zutaten, dann müssen diese Zutaten zu einem Teig vermischt werden, dieser Teig muss vorgebacken werden, dann verpackt und auf einen Transport verladen, dieser Transport muss von A nach B befördert, dort entladen und dann vor Ort aufgebacken werden. Schliesslich wird das Produkt gekauft.
Ich werde hier erst gar nicht damit anfangen zu argumentieren, dass das Ökobrötchen viel besser und gesünder sei. Meine Gleichung ist viel einfacher:
Sieht man sich die Produktionskette an, also den Weg von den Zutaten bis hin zum aufgebackenen Brötchen für 12 Cent, dann stellt man fest, dass zunächst die Zutaten eingekauft werden müssen, die Verarbeitung und Produktion von vorgebackenen Teigwaren kostet ebenfalls, das gleiche gilt für die Auslieferung und Zustellung, die anfallenden Kosten der Back-Factory Filialien und schliesslich muss auch etwas Profit dabei abfallen. Wenn man am Ende dieses vereinfachten Prozesses bei 12 Cent für ein gewöhnliches Brötchen angelangt, dreht sich mir bei dem Gedanken wie wenig Geld in die einzelnen Prozesse investiert wird der Magen um.

Aber vielleicht geht es noch billiger?
Das Back-Factory Unternehmen gehört zu Schenefelder Harry-Brot und ist den meisten durch seine "Harry"-Produkte bekannt, wobei das Zentrallager der Back-Factory durch Müller Brot vertrieben wird.
"Harry"-Brot gibt es auch tiefgefroren zum Aufbacken beim Discounter und da ist es noch günstiger! Und der Unterschied zu den warmen Brötchen in der Back-Factory dürfte geschmacklich minimal sein.

Vielleicht ist es allein das Ritual morgens Brötchen beim Bäcker zu holen (auch wenn dieser Back-Fabrik heisst), das sich positiv auf das Geschmackerlebnis des Verbrauchers auswirkt und ihn vergessen lässt, dass er Harry-Produkte konsumiert die er bei Netto oder Lidl noch günstiger erhalten könnte.
Cut1977 - 24. Jan, 16:54

Ich verstehe deine Aussage nicht ganz. Du meinst also, dass bei so einem geringen Preis die Zutaten und die Herstellung nur minderwertig sein kann?

pluswit - 24. Jan, 16:57

Ganz genau. Hier kann man auch erfahren, wie heute in der Regel Brötchen hergestellt werden:
http://de.wikipedia.org/wiki/Br%C3%B6tchen

Eine andere Sache ist der Geiz der Deutschen. Ich kann ja verstehen, wenn man sich - noch dazu bei der derzeitigen wirtschaftlichen Lage - über zu hohe Kosten beklagt.
Aber wenn man damit beginnt bei Grundnahrungsmittel zu sparen, führt dies zu einer Verringerung der Qualität.

Wieso wurden vor wenigen Wochen einige Fleischbetriebe geschlossen, die in der Regel Discounter beliefern?
Das Bedürfnis des Verbrauchers möglichst billig Fleisch zu kaufen führte erst zum Etikettenschwindel. Wäre man von Beginn an bereit im Schnitt 50% bis 80% mehr für Fleisch zu bezahlen, würde dies zu einem rückläufigen Angebot von Discounterfleisch führen und nach einiger Zeit würden auch die Preise für Markenfleisch - je nach Verbrauch - sinken.

Cut1977 - 24. Jan, 19:20

Tja, Discounter sind im Trend, Discounter haben Hochkonjunktur, und woran das liegt, ist ja klar. Nun kann man den Leuten sagen, sie sollten nicht an falschen Ecken sparen, aber es gibt Menschen, die müssen an ALLEN Ecken und Enden sparen. Die können sich nicht mehr entscheiden. Aber Billigstware ist einfach in und die fehlende Qualität schmeckt man ja nicht raus, sie schlägt sich einfach in der Reihe "ungesunde Ernährung" nieder. Das merkt man erst, wenn man besonders auf bestimmte Inhaltsstoffe reagiert. So werden viele Backwaren mit Fertigbackmischungen hergestellt, die zu einem großen Teil aus Geschmacksverstärkern bestehen. Diese Fertigbackmischungen benutzen aber auch viele "seriös wirkende" Bäckereien. Die niedrigen Preise erzielen die Discount-Bäckerein (die ja auch oft SB-Bäckereien sind) aber auch durch Lohndumping. Man braucht ja nur Kassierer einzustellen und ein oder zwei Angestellte, die den ganzen Rotz in den Ofen reinschieben und wieder rausholen. Man nimmt also eine Bäckerei und subtrahiert Zutaten, Qualität und Service und man hat eine Discount-Bäckerei.

pluswit - 24. Jan, 22:16

Ja, stimmt. Und trotz der Reihe von "Subtraktionen" sind die Verbraucher zufrieden. Zufriedenheit wird demnach dadurch definiert, wie billig etwas ist und dabei gleichzeitig qualitativ 'gut' erscheint, aber nicht ist.

Ich denke aber auch, das die meisten Leute einfach nicht wissen, wie man 'isst'.
Ich habe auch nur ca. 200 Euro im Monat für Lebensmittel, aber dennoch versuche ich so oft wie möglich frisch zu kochen und meine Brötchen bei der Konditorei zu kaufen, da es DOCH besser schmeckt und gesünder ist.

Einer meiner Mitbewohner, der eine feste Stelle hat und als einziger in der WG ein reguläres Einkommen hat, weiss dennoch nicht wie er sich gutes Essen zubereiten kann.
Letztens machte er sich eine "Tomatensuppe". So etwas habe ich noch nie gesehen:
er kaufte eine Dose Tomatensaft, öffnete diese, kippte den Inhalt in einen Topf, kochte das ganze, goss etwas Ketchup hinzu und verdrückte sich damit auf sein Zimmer.

Ich denke, dass es leider den meisten so geht wie ihm.
Cut1977 - 25. Jan, 08:20

Du hast 200 Euro im Monat für Essen? Das kann ich kaum glauben. Ich gebe im Monat für Essen ca. 80-90 Euro aus, und das ist schon das Höchste der Gefühle.

Edit: Ich hab heute ne ganze Tafel Kinder Schokolade gegessen.

pluswit - 25. Jan, 16:31

Wenn wir hier schon unsere Finanzmittel preisgeben, dann möchte ich wenigstens noch klarstellen, dass die ca. 200 Euro das Geld ist, was mir nach Abzug der Miete und aller Nebenkosten (einschliesslich Telefon,- und Internetanschluss) im Monat übrig bleibt. Im Gunde ist das Geld für sämtliche Ausgaben gedacht die darüber hinaus anfallen. Nur gebe ich fast alles für Essen aus (und lege nur einen kleinen Teil zurück), weil es mir wichtig ist in meinem Rahmen gut zu essen, bzw. zu kochen.
Eine Sache die ein ehemaliger Mitbewohner von mir immer wieder sagte war: "Ich könnte nicht so wie du immer für mich alleine kochen."
Was hat das denn damit zu tun ob ich koche oder nicht? Das ist doch ne Ausrede!

Hast du wirklich nur 80 bis 90 Euro fürs Essen im Monat? Das ist doch zu wenig. Eine Tafel Kinderschokolade und das war das Mittagessen oder wie?

Disklammer

Cut1977 und Pluswit versuchen es.

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