Als ich 12 war hatten ich und einige meiner Freunde ein besonderes Spiel. Wir konnten unsere Finger nicht mehr davon lassen und sogar der Commodore und Amiga blieben links liegen, weil dieses Spiel einfach phantastischer, eindrucksvoller und an einen simplen aber verführerischen Machtgedanken gebunden war. Jeder entwarf, seinem Punktestand entsprechend, eigene Kampftruppen und Söldner, die alle Cyborgs waren. Sie dienten in der Regel nur der gegenseitigen Zerstörung, aber eine Entwicklung galt unter den Spielern als besonders begehrenswert: das Exoskelett.
Mich beeindruckte damals schon allein das Wort. Es verband etwas Mythisches, Unkörperliches mit dem Gerüst des menschlichen Baus. In etwa der selben Zeit las ich in einem der X-Men Comics über Wolverine, dem ein Endoskelett zugeschrieben wurde (das ihm von durchgeknallten Nazis eingepflanzt worden war) und damit erfuhr ich wie das innere Gegenstück bezeichnet wurde. Endo,- und Exoskelett als Versatzstücke einer heroisch-phantastischen Welt.
Jedoch sind die verrückten Forscher der Spieler,- und Comicwelt ein Stück dem Verrücktsein entrückt und stattdessen dem Realen entgegengekommen, seit das "
Berkeley Robotics Laboratory", neben anderen Instituten weltweit, damit begonnen hat das Exoskelett umzusetzen.
Bei dieser Entwicklung hat man sich zunächst auf die unteren Extremitäten beschränkt und die Funktion als eine Entlastung der Beinmuskulatur gedacht. Dadurch kann schweres Material transportiert werden, das durch eine spezielle Vorrichtung mit einem Rucksack verbunden ist, der ebenfalls vom Exoskelett getragen und somit vom Träger nur leicht empfunden wird.
Interessant ist auch der Antrieb, der nicht als ein konventionell gesteuertes System zu verstehen ist. Es gibt keinen Joystick oder einen wundersames Mikrofon in das Befehle hineingerufen werden. Es gibt noch nicht einmal eine direkte Verknüpfung von Sensoren zwischen dem Menschen und dem Exoskelett. Ein sog. 'controller', demnach eine integrierte Kontrollinstanz, misst die vom Menschen angewandte Energie und errechnet, per Algorithmus, die notwendige Kraft die vom Exoskelett ausgeführt wird. Hierbei ist nicht wesentlich, dass eine Maschine dem Menschen bei einer Tätigkeit unterstützt, sondern wie schnell sie dies tut: während wir dazu ansetzen z.B. unser rechtes Bein mit einem bestimmten Mass an Energie zu bewegen, hat der 'controller' (durch eine Körper-LAN mit den einzelnen Einheiten des Skeletts verbunden) bereits berechnet wieviel Kraft er aufbringen muss.
Mit anderen Worten ist der Übergang zwischen menschlicher und maschineller Tätigkeit in den Bereich der hunderstel Sekunden verschoben. Mensch und Maschine sind in ihrer Ausführung voneinander ununterscheidbar geworden.
Warum ich das hier schreibe?
Ich denke, dass der Bereich der Robotik und Kinetik den anfänglich rasanten wie auch derzeitig stagnierenden Verlauf des Internets ablösen wird (das Netz kann zwar dichter werden, aber nicht vollkommen neue Verbindungen schaffen; das Internet bleibt in seiner Anlegung zweidimensional) .
Hatte man gestern noch das Tamagotchi oder den wackeligen und leicht epileptischen Hund von Sony, sowie weitere zu Robotern verwurschtelte Haustiere im Sinn, so sind das BLEEX oder auch
HAL-5 (ein Ganzkörper-Exoskelett) ein ungleich weiterer und nicht ungefährlicher Schritt.
So liest man beim BLEEX-Projekt von einer Verwendung im Bereich der Feuerwehr, bei Hilfseinsätzen in Katastrophengebieten und beim
Militär. Vor allem das Militär hat die Entwicklungen auf diesem Bereich finanziell gefördert - insbesondere in den USA. Mehr oder weniger öffentliche Ausschreibung finden regelmässig statt. Vielleicht ist dem einen oder anderen noch in Erinnerung als es darum ging ein sich selbstständig steuerndes Fahrzeug zu entwickeln, das eine bestimmte Anzahl an Kilometern durch die Wüste Nevadas bewältigen würde (es gewann ein umgebauter
Touareg).
Man stelle sich doch einmal dieses BLEEX-Exoskelett ohne den Rucksack vor. Es verliert zwar seine Trägerfunktion, aber dadurch wird auch deutlich, was es tatsächlich am besten kann: Kraft erzeugen, die die menschliche mühelos übersteigt.
Damit wären wir wieder bei den Superhelden angelangt. Nicht, dass man damit artifizielle Superhelden kreiert, wie Professor Yoshiyuki Sankai von der Tsukuba Universität
verkündet. Aber wenn solch ein Skelett ohne weiteres Lasten tragen kann, werden schwere Panzerungen ebenfalls leichter anzubringen sein. Und dann wären wir bei
Robocop.
Besonders beunruhigend ist beim japanischen Projekt die Bezeichnung "HAL" - so hiess der sich verselbstständigende und mordende Bordrechner im Kubricks "2001 Space Odyssey".