Angeregt wurde ich zu diesem Beitrag von einem gestrigen Seminar, an dem sowohl Kuenstler als auch Kunstwissenschaftler teilnehmen.
Gegen Ende der dreistuendigen Sitzung kam es zu einer erhitzten Diskussion zum Stand der gegenwaertigen Kunst und ihres Vertriebs und Verkaufs.
Als Beispiel wurde sehr schnell die Leipziger Schule und allem voran natuerlich
Neo Rauch genannt.
Doch unser Dozent hatte die Haltung der Studenten an diesem Punkt falsch eingeschaetzt.
Einige kannten Neo Rauch nicht und andere waren nicht bereit sich ueber seine Arbeiten als Kommerzprodukte auszulassen. Ich wies auf ein Zitat in einem Interview mit Rauch hin, in dem er einen "Mut zur Schoenheit" gefordert hatte. Unser Dozent empfand diesen Ausspruch als Hohn. Ich hingegen empfinde ihn als notwendig und ueberfaellig.
Das Seminar teilte sich im Verlaufe des Disputs schnell in zwei Lager auf. Zum einen diejenigen, die aus einem ideologischen Glauben heraus gegen eine Kommerzialisierung der Kunst wetterten und dann die Gruppierung von Leuten, die sich fuer eine 'Bewusstwerdung' des Prinzips von Angebot, Nachfrage, Verkauf und anschliessender Kommerzialisierung aussprach.
Ich denke, dass man in solchen Diskussionen auf Einteilungen in 'schlecht' und 'gut' verzichten muss, da man schnell zu einem unzufriedenstellenden Ende gelangt. Die einen sagen etwas sei 'schlecht', die anderen beharren auf 'gut'.
Ein Gespreach ueber Kunst, als auch Musik und Filme, sollte immer auf die Umstaende der jeweiligen Produkte hinweisen und diese verdeutlichen. Also:
Wer ist der Kuenstler? Was hat er gemacht, bevor er dort ankam, wo er jetzt mit seiner Arbeit ist? Wie ist 'Kommerzialisierung' in seinem Fall zu verstehen? Was an seiner Arbeit ist kommerzialisiert? Wie stehen Arbeit und Kommerz in Verbindung? Und: Wann beginnt eine Kommerzialisierung?
Ich erwaehnte weiter oben den Begriff der 'Bewusstwerdung'.
Wenn man sich - sei es in einer Gallerie oder in einem Museum - eine Ausstellung ansieht und die vorhandenen Beispiele (was eine uebliche Vorgehensweise ist) in 'schlecht' und 'gut' einteilt, so lohnt es sich nicht dabei zu bleiben, sondern etwas weiterzugehen und versuchen herauszufinden, wieso man diese Einteilungen vornimmt und schon ist man mittendrin in einem Nachdenken ueber Kunst.
Dabei sollte man sich auch nicht zurueckhalten und noch ein wenig weiter gehen und die ebengenannten Fragen einbeziehen, denn damit schafft man einen Kontext der jeweiligen Arbeiten. Man beschaeftigt sich nicht so sehr mit der Frage, ob sie nun gute oder schlechte Kunst darstellen, eine vertretbare oder abzulehnende Kunst. Wichtiger erscheint die Frage, warum sich diese Kunst in der Form und in dieser Gallerie oder diesem Museum mit viel oder wenig Aufmerksamkeit durch die Oeffentlichkeit und Medien praesentiert.
Indem man als Konsument, wie auch als 'Beurteiler' von Kunst oder gar als Kuenstler diese Frage als Teil der eigenen Kunstbetrachtung zulaesst, wird man sich der Prozesse bewusst, die ausserhalb des einzelnen Kunstwerkes liegen, aber mit einem Verstaendnis von Kunst genausoviel zu tun haben, wie die Betrachtung von und Empfindung ueber Kunst. Zudem formt eine kommerzialisierte Kunst natuerlich auch ein allgemeineres Verstaendnis davon was Kunst ist, weil sie einer breiteren Masse an Leuten zugaenglich gemacht wird. Daher wird es umso wichtiger zu wissen, worin der Unterschied zu nicht-kommerzialisierter Kunst besteht.
Zusammengefasst laesst sich folgendes sagen:
Der Kommerz-Aspekt von Kunst kann nur anhand der Prozesse festgemacht werden, die darueber Auskunft geben wieso eine bestimmte Arbeit im Kunstmarkt eine Art 'Wichtigkeit' und stellvertretende Dominanz erlangt, die dann kommerziell ausgenutzt wird
oder durch Mittel des Kommerz erst in diese Position gebracht wird, waehrend andere Arbeiten wenig oder gar nicht beachtet werden.
Der Kommerz-Aspekt von Kunst sollte aber nicht daran festgemacht werden, wie ein Kunstwerk aussieht oder was es sich zum Thema macht. Denn hier tappen wir schnell in die Falle der Subjektivitaet:
"Das Bild finde ich aber toll."
"Nee, das ist doch scheisse."